
Peter Schuldt: Volldampf für die Musik!
Musik ist die Leidenschaft des Finkenwerder Urgesteins Peter Schuldt. Deutschlandweit bekannte Chöre wie „Gospel Train“ gehen auf sein Konto, für „Young ClassX“ hat er den gesamten Chorbereich aufgebaut. Dazu komponiert er für sein Leben gern und ist auf Finkenwerder weder aus Chorleitungen noch Musikprojekten wegzudenken. Dabei war sein Weg in die Musik nicht selbstverständlich.
Peter, du bist als Sohn eines Obstbauern groß geworden und solltest eigentlich mal den Hof der Familie übernehmen. Man kann also nicht sagen, dass dir deine Karriere als Musiker in den Schoß gelegt worden ist.
Stimmt, meine Eltern hatten einen Bauernhof, sprachen beide nur Platt und ich verstand als Kind Wort Hochdeutsch. Als ich in die Schule kam, war das eine Tortour. Meine Klassenlehrerin kam gerade aus dem Referendariat, hat überhaupt nicht gemerkt, was los ist und hielt mich für lernbehindert.
Kein idealer Bildungseinstand…
… Nein, aber als Kind lernt man zum Glück schnell.
Wie ging es dann weiter?
Für meinen Vater war gesetzt, dass ich als Erstgeborener den Hof weiterführen würde. Aber schon als kleines Kind konnte ich eher singen als sprechen und wollte unbedingt ein Instrument lernen. Ich habe mir heimlich eine Gitarre besorgt und einem Freund, der bei Holger Hardenberg Gitarrenunterricht hatte, immer 20 Pfennig gegeben, damit er mir zeigt, was er von Holger gelernt hat. Als mein Vater das mitbekommen hat, ist er bei erstbester Gelegenheit mit dem Trecker über die Gitarre gefahren.
Raue Methoden.
Schon, aber so habe ich gelernt, mich durchzusetzen.
Das heißt, du hast dir die Musik nicht verbieten lassen.
Da hab‘ ich wohl die gleiche Stringenz und Dickfelligkeit wie viele hier auf Finkenwerder. Beispielsweise habe ich, als ich ein Klavier geschenkt bekommen habe und nicht wusste, wie ich es nach Hause transportieren sollte, das Klavier mit meinen Freunden kurzerhand die ganze Nordmeerstraße runter bis zu uns an die Landscheide geschoben. Das war hinterher zwar komplett und irreparabel verstimmt, ich habe aber trotzdem darauf spielen gelernt. Genauso wie ich in Bands gespielt und wir das Kühlhaus meiner Eltern als Übungsraum genutzt haben.
Nach dem Abitur ging es dann auf die Musikhochschule?
Ne, erstmal habe ich Industriekaufmann gelernt, um meinen Vater zu beruhigen. Für den war es schon schlimm genug, dass ich Abitur gemacht habe. Für mich war es aber auch wichtig, weil ich da gelernt habe, dass bei allem, was ich mache, ein Plus rauskommen muss. Ich habe danach noch, ohne viel Spaß, zwei Semester Volkswirtschaft und Politologie studiert bevor ich angefangen habe, mich auf die Aufnahme an der Musikhochschule vorzubereiten. Im Rahmen der Prüfung habe ich dann Hermann Rauhe kennengelernt, der mir maßgeblich weitergeholfen hat.
Du hast Musik auf Lehramt studiert und immer auch komponiert. Mit Chören hast du, außer dass du im Hochschulchor mitgesungen hast, nicht viel am Hut gehabt. Später bist du hauptsächlich damit bekannt geworden. Wie kam es dazu?
Der erste Dirigent der Finkenwerder Liedertafel Harmonie, Ernst Buhk, war gestorben und der Chor suchte einen neuen Leiter. Damals war der Chor eigentlich ein Altherrenverein, bei dem das Feiern an erster und das Singen an zweiter Stelle stand. Nun feire ich auch gerne, aber hier sollte das Singen geprobt werden. Also habe ich erstmal Aufwärm- und Atemübungen gemacht. Aus „Protest“ haben manche dann zur zweiten Probe Trainingsanzüge angezogen – aber das Eis war gebrochen. Und ich habe gemerkt, dass ich andere mit meiner Begeisterung anstecken kann und das ich die Menschen mit meiner Art, über Bilder statt über Töne zu reden, erreiche.
Über die Liedertafel hast du dann auch „Finkenwerder Prominenz“, wie Kurt Wagner, kennengelernt?
Ja, Kurt, der auch in der Harmonie gesungen hat, und ich mochten uns von Anfang an. Kurt liebet es, Texte zu schreiben, ich liebte es, Musik zu machen. Sozusagen die jeweiligen Enden eines gemeinsamen Bandes. Außerdem hatte er durch seinen Job sehr gute Verbindungen und ein hervorragendes Gespür für Situationen und das, was man heutzutage „Vernetzen“ nennt. Durch ihn waren wir beispielsweise in der „Villa Hügel“ in Essen oder auch in Newcastle.
Beruflich hast du dann ganz bewusst als Musiklehrer an der Goethe-Schule Harburg angefangen.
Ja, dort gab es durch die vielen Klassen großes Potential für das, was ich musikalisch vorhatte: Großartige Musik mit Kindern und Jugendlichen machen. Ich habe angefangen, Musicals zu schreiben, wollte dabei möglichst viele Schülerinnen und Schüler mit einbeziehen und das Ganze mit den Schülerinnen und Schülern aufführen. 1993 entstand, angeregt durch den Film „Sister Act“ im neu gegründeten Mittelstufenchor der Wunsch, Gospeltitel mit ins Programm aufzunehmen. 1999 wurde der Chor zu einem Gospelfestival eingeladen, sein eigentlicher Name war zu sperrig und „Gospeltrain“ wurde geboren – auch wenn der Chor kein Gospelchor im herkömmlichen Sinne ist und es auch nie sein wird.
„Gospel Train“ ist nach kurzer Zeit richtig durch die Decke geschossen, wie kam das?
Damals gab es eine Sängerin Namens „Blümchen“, die aufhören wollte. Das gab einen Riesen Hype – „Oh nein, Blümchen hört auf, wir brauchen ein neues Blümchen“. Unter mehr als 1.100 Bewerberinnen wurde bei einer Aktion der Bild-Zeitung dann Millane Fernandez, eine Sängerin von Gospeltrain, zur Nachfolgerin gewählt. Die Schule, alles, war von Medien wie RTL, Sat1 belagert – und natürlich war auch der Chor, den es erst ein halbes Jahr so gab, schlagartig bekannt. Wir hatten ein Konzert im Festzelt der Karkmess zugesagt – und plötzlich waren da tausende von Menschen, die rein wollten. Chaos, der Eintritt mit Kurt an der Kasse kam nicht nach. Seitdem ist Gospeltrain der angesagteste Jugendchor in ganz Deutschland. Wir haben schon vor 12.000 Menschen gesungen, vor kurzem waren wir gerade wieder im CCH.
Später kam dann das Musikprojekt „Young ClassX“ dazu, wodurch?
Auf der Verabschiedung des Konzernchefs Michael Otto im Herbst 2007 redete man mit dem Quartett „Salut Salon“ darüber, wie man die Elphie mit musikbegeisterten Menschen füllen und Musik in die Stadtteile tragen kann. Ein Projekt, das es so noch nicht gab. Angelika Bachmann, die Gründerin von „Salut Salon“, fragte mich dann, ob und was ich mir vorstellen könne – so entstand die Idee von „Young ClassX“. Also Schulchöre, die in ganz Hamburg gegründet wurden. Finanziert wurde das über die Otto Group, die Schulbehörde Hamburg war Kooperationspartner. Ich wurde zum Aufbau des Chorbereichs für die Aufgabe freigestellt und habe ein Kick-Off-Veranstaltung in einer Schule in Neugraben gemacht – Schulleiter dort war übrigens Thorben Gust, der heute Schulleiter der Stadtteilschule Finkenwerder ist. Anfang 2010 hat sich YoungClassX dann das erste Mal mit einem gefeierten Auftaktkonzert im Cruise Terminal in der HafenCity präsentiert.
Seit 2020 bist du bei dem Projekt nicht mehr dabei, hast in der Zeit aber etwa 3000 Kinder und Jugendliche aus mehr als 50 Chören betreut und hast für deine Arbeit 2016 das Bundesverdienstkreuz am Bande erhalten.
Es gibt weitere Auszeichnungen – aber auf diese bin ich tatsächlich sehr stolz.
Mehr als auf den Finkenwerder Apfel?
(Grinst) Was soll ich jetzt sagen?
Du hast noch weitaus mehr gemacht – hast Songs für Filme und Projekte geschrieben, aber auch für Firmen wie Beiersdorf oder zuletzt Tchibo. Was steht als nächstes für Finkenwerder an?
Bambule 2.0. Damit wollen wir die Chöre und den Musikbereich an den Schulen stärken. Begonnen hat alles mit dem Benefizkonzert für den TuS nach dem Brand der Sporthalle der Stadtteilschule. Da sind 10.000 Euro zusammengekommen. Dann haben wir uns überlegt, wie wir das Format weiter nutzten könnten und haben 2024 erfolgreich ein Konzert in der Maschinenfabrik FMB organsiert. Jetzt folgt die dritte Auflage, wieder bei FMB und wieder mit Blick auf die kulturelle Arbeit in unseren Schulen – und mit einem ganz neu komponierten Medley!
Peter, ich wünsche dir und Finkenwerder, dass dir deine Energie noch lange erhalten bleibt!

